01
Zeitstrahl
02
Friedrich Dürrenmatt
03
VOM ANFANG HER
04
Malen oder Schreiben
05
Die Stücke
06
Die Kriminalromane und die Verfilmungen
07

Literarische Meilensteine
08
Dürrenmatt als Maler und Zeichner
09‍
Sein Werk
10
DÜRRENMATT
WELTWEIT
11
Rund um Friedrich Dürrenmatt
A
m 29. Januar 1956 findet im Schauspielhaus Zürich die Uraufführung von Der Besuch der alten Dame statt. Oskar Wälterlin inszeniert, die Hauptrollen spielen Therese Giehse und Gustav Knuth. Daraufhin reist die Alte Dame nach München (in der deutschen Erstaufführung an den Kammerspielen ebenfalls von der Giehse verkörpert) und tritt von dort aus ihren Siegeszug an: zunächst im deutschsprachigen Raum, in dem die ›dramatische Komödie‹ 1956 und 1957 das meistgespielte Stück der Saison wird, und dann in der ganzen Welt. Bereits in den nächsten drei Jahren zeigen Bühnen in Japan, Frankreich, England und Polen den Besuch der alten Dame, die Inszenierung von Peter Brook 1958 am New Yorker Broadway wird von den Kritikern zum ›Best Foreign Play‹ gekürt. »Der Besuch der alten Dame war mein Durchbruch«, so Dürrenmatt, »es ist mein populärstes Stück« (F. D. 1980 zu Peter André Bloch in: Gespräche 1–4, Bd. 2, 1996) – bis heute weltweit gespielt, mehrfach verfilmt und sogar als Oper und als Musical adaptiert.
Der Triumph der Alten Dame wird auch zu barer Münze – ab Anfang 1957 bricht ein Wohlstand über Dürrenmatt herein, der den Schulden und Entbehrungen gewohnten Autor nach eigenen Angaben ›überrumpelt‹. Die Lebensverhältnisse der Familie verändern sich dementsprechend: In Neuchâtel wird zunächst um-, dann angebaut, Ferienreisen nach Südfrankreich sind nun möglich, ein Auto wird angeschafft, später ein Weinkeller eingerichtet und mit Bordeaux-Weinen gefüllt.

Mit seinem nächsten Stück wagt Dürrenmatt sich auf neuartiges Terrain: Frank der Fünfte, 1959 in Zürich uraufgeführt, trägt den Untertitel Oper einer Privatbank und entsteht in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Komponisten Paul Burkhard. Obwohl auch Frank der Fünfte nach der deutschen Erstaufführung (wiederum in München) international gespielt wird, fällt die bitterböse Komödie mit den Liedeinlagen bei der Kritik durch und wird zu einem von Dürrenmatts glücklosen Sorgenkindern, die er umso mehr liebt und umso heftiger verteidigt; noch 1963 zieht er in einer Münchner Rede An die Kritiker Franks des Fünften gegen die Verächter des Stücks vom Leder.

Die folgende Komödie Die Physiker aber wird sowohl beim Publikum als auch bei der Kritik zu einem durchschlagenden Erfolg. Es ist in der Saison 1962/63 das meistgespielte Stück auf deutschen Bühnen, geht um die Welt und hebt Dürrenmatt endgültig in den Rang eines modernen Klassikers. Für das Programmheft zur Uraufführung im Zürcher Schauspielhaus am 21. Februar 1962 schreibt Dürrenmatt die 21 Punkte zu den Physikern, in denen er seine Dramaturgie in knappster Form darlegt und die berühmte Formel von der »schlimmstmöglichen Wendung« prägt.
Dürrenmatt
über das
Schreiben
2:26 min
»Die Welt strömt in mich hinein, und das Echo, das herauskommt, aus mir heraus, ist ein Stück.«
Dürrenmatt hatte bei der Arbeit an seinen Stücken häufig konkrete Schauspieler vor Augen, Kurt Horwitz oder Therese Giehse etwa, für die er in den Physikern den ursprünglich männlichen Irrenarzt in eine Frau verwandelte. Sein übernächstes Stück Der Meteor war ganz auf einen Schauspieler zugeschnitten: Leonard Steckel. Die Buchausgabe im Arche Verlag ist ihm sogar gewidmet. In Der Meteor, der Komödie um einen fiktiven Literaturnobelpreisträger, die 1966 in Zürich mit Steckel in der Hauptrolle zur Uraufführung kommt, reflektiert Dürrenmatt en passant auch seinen eigenen, kometenhaften Aufstieg: »Ein Meteor wird bekanntlich, wenn er in die Lufthülle der Erde eintritt, ungeheuer erhitzt, und er entwickelt einen phantastischen Glanz, ehe er erlöscht.« (WA, Bd. 9, 1998)
Die Stücke