Dennoch sind sie für Dürrenmatt keine reinen Brotarbeiten. Schon die Krimis kreisen um Themen, die für sein gesamtes Werk zentral sind, und in einem Vortrag von 1954 spricht er von dem vermeintlich trivialen Genre des Kriminalromans als einer Strategie für sich als Künstler, nämlich dass er »Kunst da tut, wo sie niemand vermutet« (Vom Sinn der Dichtung in unserer Zeit in: WA, Bd. 32, 1998).
Außerdem beginnt Dürrenmatt bereits in den Bärlach-Romanen mit einer Demontage der Gattung, die in seinem dritten Krimi explizit wird. Anstoß zu diesem Roman ist ebenfalls ein Auftrag, der des Zürcher Filmproduzenten Lazar Wechsler, eine Filmerzählung zum Thema Sexualverbrechen an Kindern zu schreiben. Dieser Text wird die Grundlage für den Kinofilm Es geschah am hellichten Tag. Doch der Stoff lässt Dürrenmatt nicht los, er arbeitet ihn um zu einem Roman mit völlig anderem Ausgang: Das Versprechen, mit dem Untertitel Requiem auf den Kriminalroman, erscheint 1958 im Arche Verlag. Kurz danach packt Dürrenmatt, wiederum für Lazar Wechsler, einen weiteren Kriminalstoff (Justiz) an, kommt aber mit dem Filmtreatment nicht rechtzeitig zu einem Ende – der Produzent, der bereits Regisseur und Schauspieler engagiert hatte, verfilmt daraufhin mit derselben Besetzung Dürrenmatts Stück Die Ehe des Herrn Mississippi. Der Entwurf mit dem Titel Justiz, aus dem Dürrenmatt nun einen Roman machen will, bleibt liegen. Mehrmals nimmt Dürrenmatt ihn wieder auf, doch erst 1985 vollendet er den Kriminalroman, der die Regeln des Genres endgültig ad absurdum führt. Was bei Justiz 25 Jahre dauerte, gelingt Dürrenmatt bei Der Pensionierte nicht. Der Roman, dessen Hauptfigur Kommissar Höchstettler an den Bärlach der frühen Kriminalromane erinnert, bleibt unvollendet; er erscheint, fünf Jahre nach dem Tod seines Autors, als Fragment. Die Gattung Kriminalroman ist bei Dürrenmatt eng mit dem Medium Film verbunden: Alle vier wurden, zum Teil mehrfach, verfilmt – die erste Verfilmung eines Dürrenmatt-Stoffs überhaupt war 1955 eine amerikanische Fernsehadaption von Der Richter und sein Henker. Obwohl Dürrenmatt einige Drehbücher nach seinen Werken schrieb und in späten Jahren mit Midas oder Die schwarze Leinwand einen ›Film zum Lesen‹ verfasste, blieb er der Filmwelt gegenüber zeitlebens reserviert. Was sich umgekehrt nicht behaupten lässt: Mehr als 65 Filme wurden nach Stoffen von Dürrenmatt gedreht, von finnischen TV-Verfilmungen bis hin zu großen Hollywood-Produktionen.