01
Zeitstrahl
02
Friedrich Dürrenmatt
03
VOM ANFANG HER
04
Malen oder Schreiben
05
Die Stücke
06
Die Kriminalromane und die Verfilmungen
07

Literarische Meilensteine
08
Dürrenmatt als Maler und Zeichner
09‍
Sein Werk
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DÜRRENMATT
WELTWEIT
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Rund um Friedrich Dürrenmatt
D
»Mir ging es eigentlich darum zu zeigen, dass die Welt zu konfus ist, um mit detektivischem Denken in ein System gebracht zu werden.«

ürrenmatts erster Kriminalroman Der Richter und sein Henker entsteht im Jahr 1950 als Auftragsarbeit für den Schweizerischen Beobachter. Der Fortsetzungsroman ist ein solcher Erfolg, dass die Zeitschrift den jungen Familienvater 1951 um einen zweiten bittet. Dürrenmatt schreibt den Verdacht im Wettlauf gegen die Zeit und gegen seine Gesundheit: Nach einem Zusammenbruch wird sein Diabetes diagnostiziert, während der Niederschrift liegt er zeitweise im Krankenhaus. Die beiden Romane um den Kommissar (bei Dürrenmatt mit Berner Dialekteinschlag ›Kommissär‹) Hans Bärlach erscheinen in Buchform 1952 und 1953 beim Benziger Verlag in Einsiedeln – und haben sich bis heute millionenfach verkauft.
»Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer trifft
sie der Zufall.«
Der Dürrenmatt-
Biograf Peter Rüedi über die Kriminal-
romane Figuren

Dennoch sind sie für Dürrenmatt keine reinen Brotarbeiten. Schon die Krimis kreisen um Themen, die für sein gesamtes Werk zentral sind, und in einem Vortrag von 1954 spricht er von dem vermeintlich trivialen Genre des Kriminalromans als einer Strategie für sich als Künstler, nämlich dass er »Kunst da tut, wo sie niemand vermutet« (Vom Sinn der Dichtung in unserer Zeit in: WA, Bd. 32, 1998).
Außerdem beginnt Dürrenmatt bereits in den Bärlach-Romanen mit einer Demontage der Gattung, die in seinem dritten Krimi explizit wird. Anstoß zu diesem Roman ist ebenfalls ein Auftrag, der des Zürcher Filmproduzenten Lazar Wechsler, eine Filmerzählung zum Thema Sexualverbrechen an Kindern zu schreiben. Dieser Text wird die Grundlage für den Kinofilm Es geschah am hellichten Tag. Doch der Stoff lässt Dürrenmatt nicht los, er arbeitet ihn um zu einem Roman mit völlig anderem Ausgang: Das Versprechen, mit dem Untertitel Requiem auf den Kriminalroman, erscheint 1958 im Arche Verlag. Kurz danach packt Dürrenmatt, wiederum für Lazar Wechsler, einen weiteren Kriminalstoff (Justiz) an, kommt aber mit dem Filmtreatment nicht rechtzeitig zu einem Ende – der Produzent, der bereits Regisseur und Schauspieler engagiert hatte, verfilmt daraufhin mit derselben Besetzung Dürrenmatts Stück Die Ehe des Herrn Mississippi. Der Entwurf mit dem Titel Justiz, aus dem Dürrenmatt nun einen Roman machen will, bleibt liegen. Mehrmals nimmt Dürrenmatt ihn wieder auf, doch erst 1985 vollendet er den Kriminalroman, der die Regeln des Genres endgültig ad absurdum führt. Was bei Justiz 25 Jahre dauerte, gelingt Dürrenmatt bei Der Pensionierte nicht. Der Roman, dessen Hauptfigur Kommissar Höchstettler an den Bärlach der frühen Kriminalromane erinnert, bleibt unvollendet; er erscheint, fünf Jahre nach dem Tod seines Autors, als Fragment. Die Gattung Kriminalroman ist bei Dürrenmatt eng mit dem Medium Film verbunden: Alle vier wurden, zum Teil mehrfach, verfilmt – die erste Verfilmung eines Dürrenmatt-Stoffs überhaupt war 1955 eine amerikanische Fernsehadaption von Der Richter und sein Henker. Obwohl Dürrenmatt einige Drehbücher nach seinen Werken schrieb und in späten Jahren mit Midas oder Die schwarze Leinwand einen ›Film zum Lesen‹ verfasste, blieb er der Filmwelt gegenüber zeitlebens reserviert. Was sich umgekehrt nicht behaupten lässt: Mehr als 65 Filme wurden nach Stoffen von Dürrenmatt gedreht, von finnischen TV-Verfilmungen bis hin zu großen Hollywood-Produktionen.
Die Kriminalromane und die Verfilmungen